15. September 2022

ANTRAG

Sehr geehrter Herr Santelmann,

der vom Rheinisch-Bergischen Kreis initiierte Energiegipfel am 19. August 2022 hat allen Beteiligten deutlich vor Augen geführt, dass die Frage der Energieversorgung der Men­ schen in der Region mit Blick auf den bevorstehenden Winter täglich an Brisanz gewinnt. Zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger sowie der lokalen Wirtschaftsunternehmen gilt es nun, die nachfolgenden, bereits in der Beratung befindlichen Projekte, beschleunigt in die Umsetzung zu bringen.

Vor diesem Hintergrund bitten Sie die Kreistagsfraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FREIE WÄHLER, den nachstehenden Beschlussvorschlag auf die Tagesord­ nungen des Kreisausschusses am 29.09.2022 und des Kreistags am 20.10.2022 zu setzen und zur Abstimmung zu stellen:

Die Kreisverwaltung wird beauftragt,

  1. kurzfristig in Absprache mit den Kommunen, Energieversorgungsunter­ nehmen der Region und Verbraucherschutzzentral e eine Informations­ kampagne zu erstellen, die den Bürgerinnen und Bürgern thematisch um­ fassende, niederschwellige und einfach umzusetzende Tipps zum Ener­ giesparen für diesen Winter vermittelt;
  2. den Aufbau der Klima- und Energieagentur bis 2023 prioritär voranzu­ bringen mit dem Ziel,sowohl im Bereich der Energieeffizienz als auch im Ausbau der erneuerbaren Energien in der Region Expertise zu bündeln, Beratungsleistungen aufzubauen und die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern in Gewerbe, Industrie und Privathaushalten zu verrin­ gern;
  3. über die H2-Werkstatt Pilotprojekte zur dezentralen Erzeugung grünen Wasserstoffs zu identifizi In der Vernetzung von lokalen Partnern aus Gewerbe, Handel,Industrie und Handwerk liegt die Chance, regional einen Wettbewerbs- undStandortvortei1 beider Gewinnung einer größe- ren energetischen Unabhängigkeit zu erzielen;
    1. in Zusammenarbei t mit den Kommunen einWärmekataster, wie es in der Fortschreibung des Integrierten Klimaschutzkonzeptes von 2018 als Maßnahme genannt ist,für das Kreisgebiet aufzusetzen und den Kommu­ nen zur Verfügung zu Eine Zusammenarbei t der Kommunen des Kreisesist bei der späteren Erstellung von Wärmeleitplanungen dort an­ zustreben, wo Synergien zwischen den Kommunen genutzt werden kön- nen;
    2. entsprechenden Personalbedarf und Haushaltsmittel fllr die genannten Maßnahmen über den Veränderungsdi enst fllr den Haushalt 2023 darzu­

    Begründung:

    Zu 1.:Die Koalition aus CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatte bereits am 14.05.2020 in einem Antrag (Drucksachennummer KT-9/0487) eine Informationskampagne der Be­ völkerung zur Erreichung der Klimaschutzziele beantragt. Denn nur, wenn sich alle Bür­ gerinnen und Bürger an den geplanten Maßnahmen beteiligen, können sie auch entspre­ chende Wirkung entfalten. Das betont auch eine aktuelle Veröffentlichung der Deutschen Energie Agentur (dena) 1in Bezug auf Energieeinsparmaßnahmen in der jetzigen Krisen­ situation. Mit dem Ukraine-Krieg hat das Thema der Energieeinsparung eine besonders herausgehobene Bedeutung erhalten. Ein wesentlicher Schlüssel zur Vermeidung einer Gasmangellage liegt in der gezielten Ansprache der Verbraucherinnen und Verbraucher. Denn die privaten Haushalte sind für rund 30% des Erdgasverbrauchs in Deutschland ver­ antwortlich und entsprechend groß ist hier das Einsparpotential. Das setzt aber voraus, dass die Menschen wissen, wie ihre Wärme und ihr Strom erzeugt werden und wie ihr konkreter Beitrag zu Einsparungen aussehen kann.

    Um in diesen Bereichen das Maximum an Einsparpotentialen zu heben, müssen sich Kreis, Kommunen und Energieversorgungsunternehmen, ggf. darüber hinaus auch weitere Ak­ teure wie die Verbraucherschutzzentrale über eine einheitliche Ansprache der Bevölke­ rung und die entsprechenden Kommunikationsmaßnahmen verständigen. Möglichkeiten wären u. a. ein Informationskompendi um mit praktischen und einfach umzusetzenden Einspartipps und ein Aktionstag an allen Schulen im Kreis. Über geeignete Distributions­ kanäle, die die Ansprache der Bürgerinnen und Bürger sicherstellt, ist zu beraten.

    Zu 2.:Der Aufbau einer Klima- und Energieagentur wurde im Solarkonzept für den Rhei­ nisch-Bergischen Kreis (Drucksachen-Nummer KT-10/0059)  als  langfristige Maßnahme zur Erreichung der Klimaziele des RBK skizziert. Dort heißt es: „Die Schaffung einer Klima­

    / Energieagentur hat das Ziel, den Klimaschutz auf lokaler Ebene zu fördern, unter anderem durch die Unterstützung von Maßnahmen und Aktivitäten auf den Gebieten des  Seite 3 von 4 energiesparenden Bauens und Sanierens sowie der Nutzung erneuerbarer Energien.“‚

    Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen ist die Ausrichtung der Klima- / Ener­ gieagentur nochmals zu prüfen und für eine zeitnahe Einrichtung ggf. externe Unterstüt­ zung einzuholen. Ziel muss es sein, alle Kräfte in der Region zu bündeln, damit die Bürge­ rinnen und Bürger, Unternehmen und alle anderen öffentlichen Institutionen so schnell wie möglich unabhängig werden können von der Nutzung fossiler Energieträger. Parallel

    ist die dezentrale Energieerzeugung aus Erneuerbaren auszubauen, um die Stromnetze zu entlasten und die Endverbraucher unabhängiger von Energielieferungen zu machen. Da­ bei sind die Steigerung der Energieeffizienz in allen Bereichen sowie der forcierte Ausbau aller im Kreis nutzbaren erneuerbaren Energien gleichermaßen zu befördern. So sichern wir langfristig Stabilität und Wohlstand in der Region und befördern gleichzeitig die Re­duktion der C02-Emissionen.

    Zu 3.:Die H2-Werkstatt hat das Ziel, eine vollständige Wasserstoffverwertung skette in unserer Region und unserem Kreis aufzubauen‘ .Die aktuelle Krisensituation hat noch ein­ mal gezeigt, wie wichtig es ist, dezentral und autark erneuerbare Energien nutzen und speichern zu können. Neben anderer Speichertechnologien (z.B. Akkus) hat Wasserstoff den besonderen Vorteil, vielseitig einsetzbar und zu weiteren Energieträgern/speichern kombinierbar zu sein. Neben dem bereits praktizierten Einsatz in Brennstoffzellenbussen lässt sich Wasserstoff (oder daraus synthetisierte grüne Kohlenwasserstoffe) auch im ver­ arbeitenden Gewerbe und anderen wirtschaftlichen Bereichen als Surrogat zu Erdgas ein­ setzen – häufig auch ohne Umrüstung bestehender Verbrennungsanlagen. Erste kom­ pakte Anlagen zur Elektrolyse in Verbindung mit Brennstoffzellen bieten auch die Mög­ lichkeit, Wasserstoff als Speichermedium vom Industrieunternehmen bis zum Wohnob­ jekt zu nutzen. Der Ansatz der Dezentralität des Einsatzmediums, der eine hohe Autarkie von anderen Energieträgern ermöglicht, ist dabei der große Vorteil dieser Technologie und kann neben anderen bereits marktfähigen Speichermedien neue, mitunter auch wirt­ schaftliche Anwendungsfel der erschließen.

    CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FREIE WÄHLER beabsichtigen mit diesem Antrag, den Ansatz der Dezentralisierung von Projekten in der H2-Erzeugung und H2-Speiche­ rung eher auf kleinere und mittlere Anwendungsberei che zu setzen, bei denen ein hoher Wirkungsgrad im Einsatz der knappen Ressource Strom zu erwarten ist. Dabei ist die Ge­ winnung und Vernetzung von lokalen Partnern aus Wissenschaft, Gewerbe, Handel, In­ dustrie und Handwerk zunächst im Rahmen der H2-Werkstatt zu forcieren und deren un­ terschiedliche Expertise in ersten Pilotprojekten, wie z.B. dem GRÜNEN MOBILHOF zu­ sammenzubringen. In einem weiteren Schritt ist die H2-Werkstatt als wesentlicher Be­ standteil in die Klima- und Energieagentur zu integrieren. Besonders die Dezentralität der Erzeugung und Speicherung bietet als besondere Kompetenz eine Marktlücke, die zur ins­ gesamt kleinteiligen und mittelständisch geprägten Struktur des Bergische Landes her­ vorragend passt und deren Autarkie von weltweiten Energiemarktentwicklungen fördert.

    Ziel ist es, unseren Unternehmen vor Ort einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen und einen zusätzlichen Beitrag zum Ausbau der erneuerbaren Energien zu leisten.

    Zu 4.:In der Fortschreibung des Klimaschutzkonzepts aus dem Jahr 2018 wird die Erstei· lung eines Wärmekatasters für den Rheinisch-Bergischen Kreis mit hoher Priorisierung als Maßnahme zur Erreichung der Klimaschutzziele genannt. Dies ist nun zeitnah in Abspra­ che und auf Basis eines letter of intent mit den Kommunen umzusetzen.

    Kommunen können die Angaben aus dem Wärmekataster zu Wärmebedarf, -erzeugung und -verteilung in einem weiteren Schritt nutzen, um filr ihren Bereich entsprechende kommunale Wärmeleitplanungen zu erstellen, wie sie von den FREIEN WÄHLERN in ei­ nem Antrag vom 15.01.2021 gefordert wurde. Da laut aktuellem Koalitionsvertrag der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen die Erstellung einer kommunalen Wärmeleit­ planung ab 2023 verpflichtend wird, versetzt ein bestehendes Wärmekataster die Kom­ munen im Kreis in die Lage, möglicherweise nutzbare Fördergelder schneller abzurufen. Zudem wäre es begrüßenswert, wenn die Kommunen dazu ermuntert würden, ihre Wär­ meleitplanungen miteinander interkommunal dort zu vernetzen, wo Synergien erzeugt werden können.

    Unabhängig von der gesetzlichen Verpflichtung zur kommunalen Wärmeleitplanung ab 2023 wird die Verwaltung beauftragt, frühestmöglich die kommunale Wärmeleitplanung für den RBK und seine acht Kommunen zu initiieren und voranzubri ngen. Der Kreis über­ nimmt dabei die strategische Federführung hinsichtlich Koordination, Entwicklung und Zusammenarbeit.

    Die aktuelle Energiekrise, aber auch die sich merklich verstärkende Klimaveränderung verlangen ein rasches und zielgerichtetes Handeln. Daher gilt es, alle verfügbaren Kräfte von Kreis, Kommunen, Energiewirtschaft, Unternehmen und nicht zuletzt der Bürgerin­ nen und Bürger einzusetzen, um die Folgen filr die Region abzumildern.

    Mit freundlichen Grüßen

    Gez.

    Johannes Dünner Fraktionsvorsitzender

    Ursula Ehren Fraktionsvorsitzende

    Uwe Pakendorf

    stv. Fraktionsvorsitzender

    Roland Rickes Fraktionsvorsitzender

    Werner Conrad Fraktionsvorsitzender

    Jan Paas Sachkundiger Bürger